PKW-Maut

Gedankensammlung von Roman Zukowsky

Deutschland gilt als Heimat des Automobils. Sobald sich das Auto als Fortbewegungsmittel etabliert hatte, stellte man entsetzt fest, dass es dafür keine geeigneten Straßen gab. So kam man auf die Idee, kreuzungsfreie, vierspurige Fernstraßen zu bauen, damit man effektiv mit der Nenngeschwindigkeit des Autos reisen kann. Der Plan HAFRABA ist bereits 1926 entstanden, die Abkürzung stand für eine Autobahn von Hamburg über Frankfurt nach Basel.

Erst in den Dreißigerjahren wurde in Deutschland ein Netz von Autobahnen entworfen und aus dem Boden gestampft. Mit der Zielsetzung, den 6 Millionen Arbeitslosen eine sinnvolle Beschäftigung zu geben und um sich rasch von A nach B bewegen zu können. Beides scheint heute stillschweigend verpönt zu sein. Das Projekt war staatlich finanziert, das Ergebnis stellte ein Allgemeingut dar, es war eine öffentliche, gebührenfreie Einrichtung. Diese Philosophie setzte sich bis in die Siebzigerjahre fort. Die Bundesrepublik wird (noch) um ihre Autobahnen weltweit beneidet.

Franzosen und Italiener wählten einen anderen Weg. An Privatfirmen wurden Konzessionen für den Bau von Autobahnen erteilt. Das Modell basierte auf privatwirtschaftlichem Konzept. Für eine bestimmte Zeit- und Kraftstoffersparnis auf der Reise von A nach B über die Autobahn gegenüber der Reise auf herkömmlichen Landstraßen wird eine streckenabhängige Maut erhoben. An der Auffahrt wird ein Ticket erstellt, an der Ausfahrt wird es bezahlt. Dadurch erhöhen sich zwar die Betriebskosten um die Personalausgaben und den Unterhalt der Mautstellen, dafür steht aber die Benutzungsgebühr im direkten Verhältnis zu der erhaltenen Leistung.

An der Schnittstelle zwischen Deutschland, Frankreich und Italien liegt die Schweiz. Die schweizerischen Autobahnen führen durch zahlreiche Tunnel unter der Alpenkette. Tunnelbau ist eine äußerst kostspielige Angelegenheit. Noch zur Fertigstellung des Gotthard-Tunnels im Jahre 1980 wurden alle Diskussionen über eine Tunnelbenutzungsgebühr mit dem Argument beendet, es sei ungerecht, Pendler, die jenseits des Bergmassivs arbeiten, zur Kasse zu bitten. Erst als sich herausstellte, dass man auf das Auto und die Autobahn unausweichlich angewiesen ist, wurde über eine Maut nachgedacht. Die Schweizer haben versucht, beide Konzepte zu vereinen: auf den öffentlichen Straßen eine Maut zu erheben, ohne die Betriebskosten zu steigern. 1986 wurde eine pauschale Jahresgebühr zur Benutzung der Autobahnen in Form einer Vignette unter dem Beifall von "Naturschützern" eingeführt. Die mittelalterliche Maut wurde wieder belebt. Aus dem Vorhaben Best of both worlds ist Worst of both worlds geworden.

Dem schweizerischen Vorbild folgte Österreich bald nach. Und nach der Wende 1990 führten die osteuropäischen Staaten schneller Vignetten ein als sie Autobahnen bauten. Wollen Sie heute bei einer Urlaubsreise Prag, Bratislawa, Wien, Budapest, vielleicht mit einem Abstecher nach Lubljana, besuchen, reicht die Frontscheibe kaum aus, um alle vorgeschriebenen Vignetten darauf aufzukleben. Eine einheitliche europäische Vignette würde vielleicht für mehr Durchblick sorgen. Bloß Deutschland und die Benelux-Länder müssten noch nachziehen.

Und so verärgern die Parteien ihre Wähler durch die Diskussion über die Einführung einer PKW-Maut auf deutschen Autobahnen. Kanzlerin Merkel weicht ihr Wahlversprechen auf und sagt nun: "Die Maut darf deutsche Autofahrer nicht belasten." Also wenn die Maut die Autofahrer nicht belastet, dann generiert sie keine Einnahmen und ist aus wirtschaftlicher Sicht sinnlos. Eine zusätzliche Verwaltung zur Verrechnung der Vignette mit der KFZ-Steuer wird wohl nicht unsere 3 Millionen Arbeitslosen aufnehmen. Hört man aber die Betonung auf "deutsche" liegend heraus, dann kommt man nicht um das Wort "Diskriminierung" herum. Diesmal nach den Autokennzeichen. Sollen denn Ausländer unsere Straßen finanzieren?

Angeblich sind 60 % der Deutschen für eine PKW-Maut. Die meisten Medien verfälschen aber diese Aussage durch einfache Auslassung, wonach nicht eine pauschale Vignette, sondern eine streckenabhängige Maut bevorzugt wird. Befragt wurde sicherlich eine "repräsentative", aus allen Gesellschaftsschichten bestehende Gruppe. Darunter Rentner und Personen ohne Führerschein. Mit gleicher Aussagekraft konnte man die kongolesischen Rebellen befragen. Aus gutem Grund verbietet das Grundgesetzt Volksentscheide auf der Bundesebene.

Eine Autobahnvignette ist genauso ungerecht wie die KFZ-Steuer. Beide Gebühren werden unabhängig von den tatsächlich gefahrenen Kilometern und damit von der Straßenbenutzung und -abnutzung erhoben. Fahren Sie ohne Vignette auf der Autobahn, machen Sie sich strafbar; fahren Sie ohne Aufkleber der Zulassungsstelle überhaupt auf öffentlichen Straßen, machen Sie sich ebenfalls strafbar. Über die Abschaffung der KFZ-Steuer wurde in den letzten Jahren mehrmals gesprochen. Doch die Finanzminister verzichten ungern auf Einnahmen, auch wenn diese dem Prinzip der Gerechtigkeit nicht in lupenreiner Form entsprechen. Hier werden die Grenzen eines Rechtsstaates deutlich sichtbar.

Die Einnahmen aus den Vignetten sollten dem Unterhalt von Autobahnen dienen. Warum nur von Autobahnen und nicht auch von Landstraßen? Diese werden doch durch die Mautvermeider noch stärker beansprucht als heute. Im schlimmsten Fall brechen sie durch den zunehmenden Verkehr gänzlich zusammen. Dann müssen neue Regelungen her zur Reglementierung der Benutzung von Landstraßen. Der Rechtsstaat blüht und gedeiht. Für das gleiche PKW-Modell zahlen Vielfahrer und Wenigfahrer die gleiche KFZ-Steuer. In Industriegebieten mit hoher Autobahndichte würde die Vignette dasselbe kosten wie in ländlichen Gebieten ohne Autobahnen. Sie sehen schon diese Ungerechtigkeit.

Gerecht ist lediglich eine auf die Fahrstrecke bezogene Finanzierung. Das ist die Mineralölsteuer. Sie ist immer fällig, egal ob Sie mit deutschen oder ausländischen Kennzeichen tanken, egal ob Sie auf der Autobahn, der Landstraße oder auf Ihrem Hof fahren. Schwere Limousinen, die die Straße mehr beanspruchen als Kleinwagen verbrauchen mehr Kraftstoff und bringen damit mehr Geld in die Staatskasse ein. Doch diese Abgabe wird missbräuchlich verwendet. Da sie als Steuer definiert ist, darf sie - anders als ein Beitrag - auch für fremde Zwecke verwendet werden. Und so werden die jährlichen Einnahmen aus der Mineralölsteuer von über 50 Mrd. Euro nur zu einem Drittel für den Straßenbau eingesetzt. Eine Umlegung der KFZ-Steuer auf die Mineralölsteuer und eine strikte Disziplin beim Einsatz dieser Mittel würde die Debatte über die PKW-Maut gegenstandslos machen und eine Gleichbehandlung der Fernstraßen jeder Art sichern.

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